Hilfe traumatisierter Kinder und Jugendlicher mit
Unterstützung der UNO-Flüchtlingshilfe
Ein großer Erfolg unserer Arbeit im Jahr 2016 war die Zusage der UNO-Flüchtlingshilfe, uns bei einem Projekt zur Hilfe und Stabilisierung von traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu unterstützen. Dazu ein Interview mit Maria Johanna Fath, Vorstand des Traumahilfe Netzwerkes Augsburg und Schwaben e.V.
Wie kamen Sie auf die Idee für Ihr Projekt?
Maria Johanna Fath:
Wir arbeiten seit sechs Jahren mit traumatisierten Menschen. Wir bieten als einzige ambulante Anlaufstelle für Erwachsene in unserer Region Clearinggespräche, Kurzberatungen und Stabilisierungsgruppen an. Vor drei Jahren haben wir den ersten Stabilisierungskurs mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gemacht und dabei gemerkt: Der Bedarf an nonverbalen Methoden ist mit dem Ankommen der Flüchtlinge gestiegen. Gleichzeitig erhöhte sich die Nachfrage an Fortbildungen in diesem Bereich: Ehrenamtliche, Kommunalpolitiker*innen und Pädagogen*innen benötigten für ihre Arbeit mit Flüchtlingen zusätzliches Wissen über Traumata und seine Folgen.
Wir haben also nicht nur unsere Kursangebot vergrößert, sondern auch darüber nachgedacht, wie wir einer größeren Zielgruppe Informationen, Hilfe und praxisbezogenes „Werkzeug“ an die Hand geben können.
Was sind die Ziele Ihres Projektes?
Maria Johanna Fath:
Wir möchten einen erprobten, weitgehend nonverbalen Methodenpool erstellen, der für alle Berufsgruppen, die mit Flüchtlingen arbeiten, zugänglich ist. Unser Projekt soll Erzieher*innen, Lehrer*innen und andere pädagogische Begleiter*innen befähigen, Traumata als solche zu erkennen, die Störung zu verstehen und den Hilfsbedürftigen auf weitgehend nonverbaler Ebene erste Hilfsangebote unterbreiten zu können.
Sie setzen auf einen nonverbalen Methodenpool…
Maria Johanna Fath:
Ja, obwohl vor allem Kinder und Jugendliche die deutsche Sprache sehr schnell lernen – denn im Allgemeinen sind Flüchtlinge sehr bildungsfreudig. Aber bei den jüngeren Kindern sind Methoden, die mit wenig Sprache auskommen, in jedem Fall besser und bei den älteren gilt: Für eine detaillierte und differenzierte Aussage zu ihrer derzeitigen seelischen Verfassung ist ihnen die deutsche Sprache zu wenig vertraut.
Und an welche Bereiche haben Sie dabei gedacht?
Maria Johanna Fath:
Im weitesten Sinne an Musik, Kunst, Bewegung und Erlebnispädagogik. Wir haben eine interdisziplinäre Expertengruppe aus Erlebnispädagog*innen, Psycholog*innen, Musiktherapeut*innen, Körpertherapeut*innen, und Kunstpädagog*innen zusammengestellt. Mit diesen Expert*innen haben wir bereits erprobte Methoden aus den unterschiedlichen Fachbereichen an die Zielgruppe angepasst und auf der Basis bereits gemachter Erfahrungen nonverbale Methoden weiterentwickelt.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Maria Johanna Fath:
Zunächst erproben wir unsere Methoden in ausgewählten Kindergärten und Schulen, bei der Zielgruppe der 3-6-Jährigen und der 7-14-Jährigen. Dann evaluieren wir zusammen mit den Lehrer*innen und Erzieher*innen: Was funktioniert gut, was weniger gut? Was können wir verändern?
Eines unserer Ziele ist zum Beispiel: Vorhandene Ressourcen zu erkennen und zu aktivieren. Das kann durch eine nonverbale Antwort auf die Kernfrage: „Was hat mir in schlimmen Zeiten gut getan?“ Um die Erinnerung zu aktivieren, können die jungen Menschen dazu beispielsweise ein Bild malen, eine Collage zusammenstellen, einen Comic zeichnen, ein Krafttier schnitzen, einen eigenen Lebenslauf zeichnen, eine Schachtel mit wichtigen Kleinigkeiten zusammenstellen, einen Koffer packen, ein Lied singen, tanzen, einen Softball drücken, eine Heldengeschichte erfinden oder mit Handpuppen Geschichten nachspielen. Um nur einige Beispiel zu nennen.
Ein weiteres Ziel ist die Stabilisierung traumatisierter Kinder und Jugendlicher im Alltag und in Stresssituationen, beispielsweise mit Hilfe eines „Notfallkoffers“ in dem sich Hilfsmittel befinden. Wichtig ist dabei für die Kinder und Jugendlichen, zu erkennen: „Wie geht es mir im Moment?“ Zum Beispiel kann man mit Hilfe von Smilies die eigene Gemütslage einschätzen: Grün steht für gut, gelb für „so la ala“ und rot für schlecht. Steht das Stimmungsbarometer zwischen gelb und rot, ist es Zeit an den Notfallkoffer zu gehen, der beispielsweise einen Igelball, eine scharfe Chilischote, ein festes Gummiband, ein saurer Lutscher oder Fotos enthält. Oder Erinnerungsstücke, die zum Klettern, Laufen, Boxen, Trommeln oder anderen Bewegungen animieren – oder zu Konzentrationsübungen anregen, wie ein Sandsäckchen auf dem Kopf tragen etc. Bei jedem wirkt ein anderer Reiz. Ziel ist, durch den andersartigen Reiz den negativen Trigger abzuschwächen.
Wie wollen Sie das erlangte Wissen aus Ihrem Projekt weitergeben?
Maria Johanna Fath:
Geplant ist das Erstellen eines Methodenhandbuches mit Materialvorschlägen.
Wann ist das Methodenhandbuch fertig und der Öffentlichkeit zugänglich?
Maria Johanna Fath:
Geplant ist das Jahr 2018.
(Text & Bild: Von Cynthia Matuszewski)